Durch Corona hat der Online-Handel nochmals enorm an Bedeutung gewonnen. Die Auswahl zwischen verschiedenen Produkten ist online jedoch oft noch schwieriger, als im Laden oder im persönlichen Gespräch.
Wer heute im Internet etwas kauft oder nach einem Arzt oder Rechtsanwalt sucht, der verlässt sich deshalb oft auf Verbraucherbewertungen. Solche Bewertungen haben einen enormen Einfluss auf den wirtschaftlichen Erfolg von Produkten.
Gekaufte Bewertungen werden nicht staatlich geahndet
Weil es keine staatlichen Sanktionen gibt, wenn mit manipulierten Bewertungen gearbeitet wird, hat sich inzwischen ein sehr professionell strukturierter Markt für gekaufte Bewertungen entwickelt. 50 positive Google-Bewertungen sind derzeit beispielsweise für rund 500,- EUR zu haben, Wunschtexte können dabei vom Besteller vorgegeben werden.
Der wirtschaftliche Schaden, der durch Fake-Bewertungen bei ehrlichen Unternehmern und Verbrauchern entsteht, ist riesig.
Wer nun glaubt, es gibt eine staatliche Stelle, die gegen gekaufte und gefälschte Bewertungen vorgeht, der irrt leider. Gefälschte Bewertungen können nur von Mitbewerbern auf eigenes Risiko vor Zivilgerichten angegriffen werden. Das ist hier aber besonders schwierig, weil z.B. die Anbieter von Fake-Bewertungen meist vom Ausland aus operieren. Selbst Giganten wie Amazon kämpfen hier gegen Windmühlen.
Effektiver Verbraucherschutz durch das Bundeskartellamt
Zum effektiven Schutz gegen Fake-Bewertungen sind staatliche Sanktionsmöglichkeit durch das Bundeskartellamt nötig. Entsprechende Anregungen kommen auch vom Präsidenten des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, nachdem das Bundeskartellamt sich intensiv mit Verbraucherbewertungen befasst und im Rahmen einer Sektoruntersuchung erheblichen Handlungsbedarf festgestellt hat [1]
Gefälschte Bewertungen waren schon immer rechtswidrig, ihr Einsatz zu Werbezwecken ein Verstoß gegen Wettbewerbsrecht.
Sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene wurde das zunehmende Problem der Fake-Bewertungen und –Rankings zwar erkannt und weiter adressiert. Die Europäische Union hat dazu die Richtlinie (EU) 2019/2161 (Richtlinie zu Transparenzpflichten bei Rankings und Verbraucherbewertungen)[2] erlassen, die teilweise im „Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht“[3] umgesetzt werden soll.
In der so geplanten Änderung des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) wird versucht, das Problem gefälschter und manipulierter Bewertungen und Rankings durch erhöhte Transparenz- und Aufklärungspflichten zu begegnen.
Letztlich wird der Kampf gegen Fake-Bewertungen vollständig dem privaten Sektor überlassen. Plattformen müssen Maßnahmen gegen Fake-Bewertungen ergreifen und Transparenz schaffen. Mitbewerber können zivilrechtlich auf eigenes Risiko Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüche geltend machen.
Das führt im Ergebnis jedoch dazu, dass vor allem die gewerblichen Anbieter und Vermittler gefälschter Bewertungen fast ungehindert weiter agieren können, denn es droht weder eine staatliche Kontrolle, noch strafrechtliche Sanktionen. Auch gewerbliche Nutzer von gekauften Bewertungen müssen aufgrund der schwierigen Nachweissituation kaum mit zivilrechtlichen Risiken rechnen.
Den zivilrechtlichen Klagen wegen Wettbewerbsverstößen lässt sich im Übrigen leicht durch Verlagerung des Firmensitzes ins Ausland begegnen. Wettbewerbsrechtliche Gerichtsverfahren durch Mitbewerber und Verbände sowie die dort möglichen Ordnungsgelder stellen im Übrigen kein ernsthaftes Bedrohungsszenario für die Geschäftsmodelle der Anbieter gefälschter Bewertungen dar.
Zu einer ähnlichen Bewertung kommt auch das Bundeskartellamt. Dessen Präsident, Andreas Mundt, weist darauf hin, dass die Behörde zwar Untersuchungen anstellen und Rechtsverletzungen aufdecken kann, diese jedoch mangels Befugnis nicht abstellen darf [4].
Eine behördliche Eingriffsbefugnis wäre jedoch notwendig, um das Problem der gefälschten Bewertungen tatsächlich zu bekämpfen.
Manipulierte und nicht authentische Bewertungen verfolgen
Das Bundeskartellamt hat ein übersichtliches System zur Klassifizierung von Bewertungen in Bewertungssystemen entwickelt[5]. Danach können Verbraucherbewertungen unterschieden werden in klassische Verbraucherbewertungen, die ohne Beeinflussung auf einer eigenen Nutzererfahrung basieren und solchen Bewertungen, auf die entweder Einfluss genommen wurde oder die vollständig frei erfunden sind.
Besonders problematisch sind aufgrund der fehlenden tatsächlichen Erfahrung bzw. der manipulierten Aussage die Kategorien „Nicht authentische Bewertung und „Manipulierte Bewertung“.
Gerade in diesen Bereichen ist auch zu erwarten, dass durch zivilrechtliche Rechtsverfolgung kein ausreichender Schutz der Verbraucher vor Täuschungen in erheblichem Umfang geschaffen werden wird.
Auch wenn es grundsätzlich richtig ist, die Einhaltung der Wettbewerbsregeln dem Zivilrecht zu überlassen, erscheint es hier zur Gewährleistung eines Mindestmaßes an Verbraucherschutz vor gewerblich organisierter Täuschung über wesentliche Entscheidungsfaktoren geboten, eine behördliche Sanktionsmöglichkeit durch das Bundeskartellamt zu schaffen.
[1] Verbraucherrechtlicher Handlungsbedarf bei Nutzerbewertungen, Bundeskartellamt, Schriftenreihe Schriftenreihe „Wettbewerb und Verbraucherschutz in der digitalen Wirtschaft“ Oktober 2020
[2] RICHTLINIE (EU) 2019/2161
[3] Entwurf ein. Gesetzes zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht (20.1.2021)
[4] Fake mit 5 Sternen, Gekaufte Bewertungen bei Amazon, Google und Co., ZDF, Frontal21 vom 15.12.2020
[5] Quelle: Verbraucherrechtlicher Handlungsbedarf bei Nutzerbewertungen, Bundeskartellamt, Schriftenreihe Schriftenreihe „Wettbewerb und Verbraucherschutz in der digitalen Wirtschaft“ Oktober 2020, Seite 8