Kategorien
Freiheit

Twittersperre für Trump und QAnon

Dass Donald Trump und QAnon-Jünger die Welt nicht mehr mit ihren Posts beglücken können ist ohne Zweifel zu begrüßen. Nach einem kurzen Aufatmen sollten allerdings zu diesem Vorgang dringend einige Fragen gestellt werden.

Zusammenfassung der Ereignisse:

Keine Posts von Donald, nirgends!

Nach der Stürmung des Capitols in Wahsington DC am 06.01.2021 durch aufgehetzte Trump-Fans wurde der Twitter-Account von Donald Trump dauerhaft gesperrt.

Twitter teilte in einem Statement mit, dass

„…nach genauerer Prüfung der letzten Tweets über den Account @realDonaldTrump und des Kontexts dazu der Account aufgrund des Risikos künftiger Anstiftung zu Gewalt dauerhaft gesperrt wurde“.

Twitter Statement vom 08.01.2021


Diese Sperre war allerdings nur der Startschuss für ein konzertiertes Vorgehen fast aller Internetplattformen. Dem Beispiel von Twitter folgten innerhalb kürzester Zeit: Facebook, Google, Snapchat, Twitch, TikTok, Pinterest, Youtube und sogar Shopify.

Donald Trump wurde damit von sämtlichen relevanten Plattformen verbannt, auf denen öffentlich im Internet etwas gepostet werden kann.

Auch Trumps Versuch, über andere Accounts zu twittern, wurde von Twitter sofort unterbunden.

Nach der Sperre seines Accounts @realDonaldTrump schickte Trump einige Tweets über den offiziellen Account des amerikanischen Präsidenten @POTUS. Dieser Account wurde nicht gesperrt, aber sämtliche Tweets, die Trump selbst über diesen Account verschickte, wurden gelöscht.

Als nächstes versuchte Donald Trump über den Account @teamtrump – seinen Wahlkampf-Account – zu posten. Daraufhin sperrte Twitter diesen Account dauerhaft wegen Verletzung der Twitter-Regeln.

Gery Coby, „Digital Director“ in Trumps Medien-Team, bot Trump daraufhin die Login-Daten für seinen Account. Das ging schief. Twitter sperrte auch diesen Account sofort dauerhaft.

Am Ende wurden alle Versuche von Trump, über Umwege und Tricks einen Zugang zu Twitter zu finden, von Twitter entdeckt und versperrt.

Dabei beließen es die Tech-Giganten aber nicht.

QAnon wird gleich mit gelöscht

Die Anhänger der QAnon-Verschwörungserzählung – ein wirrer aber gefährlicher Kosmos aus groteskem Politklamauk – stellen den harten Kern der gewaltbereiten Trump-Fans dar. Beim Sturm auf das Capitol in Washington war ein prominenter QAnon-Anhänger ganz vorn dabei, der wegen seines Kopfschmucks aus Fell und Hörnern auffällige Jacob Anthony Chansley.

Die QAnon-Gläubigen sind überzeugt davon, dass Trump einen geheimen Kampf gegen einen geheimen Kreis von pädophilen Prominenten anführt, die bei satanischen Ritualen Kinderblut verzehren und als sogenannter „deep state“ die gesamte Staatsverwaltung kontrollieren. Die Erstürmung des Capitols war für die QAnon-Gläubigen Teil dieses Kampfes.

Die Verbindung zwischen Trumps „stop the steal“-Kampagne, in der er über Wahlfälschung fabuliert, dem von Trump angeführten Kampf gegen den „deep state“ und der im Lichte dieser Gedankenwelt nur konsequenten Erstürmung des Capitols, war für Twitter wohl sehr klar. Deshalb löschte Twitter kurzerhand ca. 70.000 Accounts, die der QAnon-Bewegung zugeordnet werden konnten.

Das wiederum hatte erstaunliche Auswirkungen auf Twitter-Accounts führender Republikaner. Über Nacht verschwand dort eine riesige Anzahl von Followern. Prompt beschwerte sich u.a. Mike Pompeo (Secretary of State) über das entstehen einer „Echokammer“ und postete am 09.01.2021 eine Liste von Accounts von Republikanern, die massiv Follower verloren hatten.

Tatsächlich macht der Vorgang vor allem deutlich, wie groß der Anteil von Followern aus der QAnon-Bewegung bei diesen Twitter-Accounts war.

Nach der QAnon-Löschaktion sind kaum noch größere Accounts auf Twitter zu finden, die mit QAnon in Verbindung gebracht werden können. Was jetzt noch zu finden ist, sind entweder Accounts, die sich kritisch mit QAnon auseinandersetzen, sich darüber lustig machen, oder nur sehr wenige Follower haben.

Als Zwischenfazit ist festzustellen: Was die großen Tech-Konzerne jahrelang als absolute Unmöglichkeit bezeichnet haben, nämlich das gezielte Filtern nach ganz bestimmten Inhalten einschließlich Identifizierung und Löschung zugehöriger Accounts, wurde jetzt innerhalb von 4 Tagen durchgezogen.

Aber es ging noch weiter:

Ausweichversuch auf „unzensierte“ Plattformen

Nach der Sperre auf allen großen Social-Media-Networks gab es zwei Plattformen, die für Trump und QAnon-Anhänger noch nutzbar waren und sich schon länger in rechten Kreisen großer Beliebtheit erfreuten. Einer der Dienste ist Gab, der zweite Dienst ist Parler, der über eine App läuft.

Gab ist auf Hardcore-Nazis und Rechtsextreme fokussiert. Auf Parler hatten sich Trump- und QAnon-Fans bereits früher ausgetauscht und u.a. den Sturm auf das Capitol organisiert, koordiniert und Bildmaterial davon ausgetauscht. Deshalb fand eine große Umzugsbewegung von Trump- und QAnon-Anhängern zu Parler statt, was die Anmeldeserver zeitweise zusammenbrechen ließ.

Die Umzugsbewegung zu Parler blieb bei Apple, Google und Amazon nicht unbemerkt, und hatte direkte Folgen:

Aus für die Parler-App

Apple teilte Parler am 09.01.2020 mit, dass die Parler-App aus dem AppStore entfernt würde, wenn nicht innerhalb von 24 Stunden sichergestellt würde, dass nur noch moderierter – also inhaltlich geprüfter – Inhalt veröffentlicht wird.

Google verzichtete auf eine Fristsetzung und entfernte die Parler-App am 09.01.2020 direkt aus dem PlayStore.

Damit konnte die Parler-App faktisch weltweit auf keinem Smartphone oder Tablet mehr installiert werden. Die Server von Parler liefen allerdings noch.

Aus für die Parler-Server

An dieser Stelle ist es gut zu wissen, wie der Markt für Internet-Server aktuell aussieht: Der Markt für komplexe Cloud-Systeme wird im Grunde aufgeteilt zischen drei Anbietern: Amazon mit einem Marktanteil von fast 50%, Microsoft mit ca. 15%, Google mit ca. 5%. Es gibt weitere Anbieter (Alibaba in China, IBM und eine Anzahl kleiner Unternehmen), wer aber ein größeres Social-Media-System betreiben will, dürfte um einen der großen drei nicht herum kommen.

Parler hatte sein System bei Amazon gehostet.

Über das Wochenende 9./10.01.2021 schaltete Amazon den Service für Parler ab. Damit war das Social-Media-Netzwerk komplett offline.

Trump und QAnon geghostet

Dass es keine Freude ist, wenn man konsequent digital ausgegrenzt wird, ist bekannt und firmiert auch hierzulande inzwischen unter ghosting. Frau Jeanine Piero, eine ehemalige Richterin, die heute als Fernseh-Host und Politikerin tätig ist, wurde davon so in Rage versetzt, dass Sie das Vorgehen der Tech-Konzerne gar mit der Kristallnacht in Nazi-Deutschland verglich.

Gehackte Parler-Server

Für eine gewisse Heiterkeit sorgte noch eine Episode, die für einige QAnon-Anhänger, die an der Erstürmung des Capitols beteiligt waren, noch ärgerlich werden könnte.

Parler is offline

Kurz bevor Amazon die Server von Parler abschaltete, sicherten „Hacktivists“ einen Großteil des Datenbankinhalts und verfügen nun über ca. 56 Terrabyte an Bildern, Videos und Posts. Besonders ist dabei, dass Parler dieses Material chronologisch und im Originalformat ohne Umbenennung gespeichert hat.

Während es bei Facebook, Twitter und Co. so ist, dass beim Upload von Bildern und Videos sämtliche Metadaten entfernt und die Dateien zufällig umbenannt werden, handhabt Parler das anders. Dadurch dürfte es möglich sein, sämtliche Posts und Uploads – einschließlich der von den Usern gelöschten Inhalten und sogar mit Standortinformationen – chronologisch wieder herzustellen.

Das Parler-Archiv wird nun ausgewertet um die am Sturm auf das Capitol Beteiligten zu ermitteln und Straftaten festzustellen.

Feststellungen und Fragen

Wenn die reflexhafte (Schaden)Freude über die Abschaltung von Trump und QAnon verflogen ist, sollte man angesichts der beschriebenen Vorgänge schon nachdenklich werden.

Wir haben gesehen, dass:

  • sämtliche Internet-Giganten innerhalb kürzester Zeit eine Allianz gebildet haben, um ein ganz konkretes – im Grunde politisches – Ziel zu verfolgen,
  • Privatunternehmen entschieden haben, dass ein amtierender US-Präsident keine Möglichkeit mehr hat, sich im Internet zu äußern,
  • die Entscheidung und die Vollziehung der Entscheidung zusammenfallen,
  • die Rechtsordnung einschließlich der Verfassung der USA (Meinungsfreiheit usw.) hier keinerlei Bedeutung hatten, sondern sich der gesamte Vorgang in der Rechtssphäre von allgemeinen Geschäftsbedingungen, also den Rechtsordnungen der jeweiligen Unternehmenswelten abgespielt hat,
  • letztlich eine Hand voll Personen (Zuckerberg, Besos, usw.) die alleinige Entscheidungsgewalt in solchen Situationen haben,
  • es ohne Weiteres möglich ist, bestimmte Themen (QAnon) automatisiert inhaltlich herauszufiltern und in kürzester Zeit alle damit verbundenen Accounts und Posts zu löschen.

Angesichts dieser Feststellungen drängen sich folgende Fragen auf:

Wollen wir als demokratische Gesellschaft einen virtuellen Rechtsraum entstehen lassen, in dem kaum staatlichen Regeln, sondern nur die Gesetze von Konzernen gelten?

Wie ist damit umzugehen, dass im Internet die Monopolbildung fast ein Naturgesetz ist und zu extremen Machtkonzentrationen und Wettbewerbsverzerrungen führt?

Wie begegnen wir der Gefahr, die sich aus der Möglichkeit ergibt, dass Themen oder gesellschaftliche Gruppen maschinell identifiziert und deren Inhalte gelöscht oder manipuliert werden können?

Fazit:

Wir stehen erst ganz am Anfang der digitalen Revolution. Ereignisse wie das hier Beschriebene lassen erahnen, welche Problemstellungen uns dabei beschäftigen werden, insbesondere dann, wenn KI noch eine größere Rolle spielt. Die Richtungsdiskussionen sollten jetzt geführt werden, sonst schafft die Entwicklung Fakten, die später nur schwer zu ändern sind.


Siehe dazu auch (externe Links):

Mit den Trump-Sperren beginnt ein postmodernes Internet (heise online 2.2.21)

Cookie-Einwilligung mit Real Cookie Banner